Lehrerverband warnt Berliner SPD vor „Ausstieg aus bundesdeutscher Bildungskultur“

7.04.2005

Link: Presseerklärung des Deutschen Lehrerverbandes

  • DL-Präsident Kraus appelliert an die „besonnenen Kräfte“ in der SPD, den „Rückfall Berlins in bildungsideologische Kampfzeiten zu stoppen“ und die SPD aus der „Umklammerung durch die PDS“ zu lösen
  • „Die Berliner SPD soll endlich dafür sorgen, dass Berlins Schüler in neun Schuljahren nicht 1.000 Stunden Unterricht weniger haben als Schüler anderer Bundesländer!“

Die SPD Berlins will am kommenden Samstag, 9. April 2005, auf einem Parteitag ein bildungspolitisches Grundsatzprogramm verabschieden. Dazu hat der SPD-Landesvorstand einen Leitantrag vorgelegt, der bereits im Vorfeld für heftige Diskussionen innerhalb und außerhalb der SPD geführt hat.

Insbesondere zur Kernforderung des SPD-Landesvorstandes, in Berlin unter dem Titel „Eine Schule für alle“ zukünftig eine zehnjährige Einheitsschule etablieren zu wollen, nimmt Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), Stellung:

„Was die SPD Berlins hier vorhat, ist ein Ausstieg aus bundesdeutscher Bildungskultur; es ist dies zudem eine eklatante Missachtung aller innerdeutschen Schulleistungsstudien. Gesamt- und Einheitsschule liegt in Deutschland leistungsmäßig schließlich seit Jahrzehnten weit hinter den Schulformen des gegliederten Schulwesens.

Die SPD Berlins sollte sich selbstbewusst dagegen stemmen, von der PDS schulpolitisch – wie schon in der Frage des Religionsunterrichts – restlos vereinnahmt zu werden. Die Schulvisionen der SED-Nachfolgeorganisation sind jedenfalls völlig ungeeignet für eine Gesellschaft, zu deren Leitbild die freie Entfaltung der Persönlichkeit gehört, nicht aber Gleichmacherei. Hier ist mit Nachdruck an die besonnenen Kräfte in der SPD wie den Berliner Schulsenator Böger zu appellieren, nicht klein bei zu geben, um den drohenden Rückfall Berlins in bildungsideologische Kampfzeiten zu stoppen.

Ansonsten muss sich die Berliner SPD endlich mit den eigentlichen Schulproblemen Berlins auseinandersetzen, vor allem mit der Tatsache, dass Berliner Schüler laut PISA in neun Schuljahren gut 1.000 Stunden weniger Unterricht haben als Schüler aus Thüringen, Bayern oder Sachsen. Das ist abseits schulpolitischer Strukturfragen nämlich einer der entscheidenden Gründe dafür, dass Berlin in Sachen Schule nicht gut dasteht.“

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V.i.S.d.P.: Herr Bruncken (DL)


Zum selben Thema äußert sich auch Gerhard Schmid, der Schulpolitische Sprecher der CDU – Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus:

… die Einführung [der] Gemeinschaftsschule in Berlin bedeutet nicht nur die Abschaffung der Real-, Haupt- und Gesamtschulen, sondern auch die Abschaffung der Gymnasien. Die SPD stellt sich damit in totalen Widerspruch zu den bildungsorientierten Eltern in dieser Stadt – und diese haben wir beim derzeitigen Stand der Wirtschaft in Berlin nötiger denn je.
Es stimmt zwar, dass in Deutschland der Schulerfolg stark von der sozialen Herkunft abhängt, wie die PDS, Grüne und die Linken in der SPD sagen.
Aber es stimmt auch, dass es in Deutschland mehr bildungsferne Eltern und Familien insbesondere mit Migrationshintergrund gibt als in den anderen Ländern – es mangelt in Deutschland und insbesondere in Berlin an Bildungswillen. Auch wegen der wirtschaftlichen Situation haben die Unterschichten den Glauben an einen Aufstieg verloren.

Die Lösung aus dieser Misere liegt nicht in einem Einheitsschulsystem – damit würde nur eine neue Lebenslüge der Linken den anderen zugefügt auf Kosten von Generationen von Kindern und Jugendlichen -, sondern notwendig ist

  • eine Familienpolitik, die die Erziehungskraft der Eltern in sozial schwachen Familien und in Migrantenfamilien stärkt, ggf. auch Druck ausübt zu diesem Zweck,
  • eine Einschulung der Kinder nur bei „Schulfähigkeit“ (nicht zu verwechseln mit Schulreife), d.h. nur mit Deutschkenntnissen sowie mit Fähigkeiten und Fertigkeiten, die eine erfolgreiche Teilnahme am Grundschulunterricht ermöglicht – ansonsten greift eine Vorklassenpflicht für Kinder ab 4 1/2 Jahren,
  • die Stärkung und Durchsetzung von Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft und die Vermittlung und Förderung von Grundtugenden wie Fleiß, Ehrgeiz, Verlässlichkeit,
  • Diagnostik und flexible Förderung von Begabungen ab Schulbeginn – es gilt dem einzelnen Kind zu helfen, seine Persönlichkeit und seine Fähigkeiten zu entwickeln,
  • Begabtenförderung, d.h. Ausbau der Möglichkeiten nach der 4. Klasse zum leistungsabhängigen Übergang auf die Oberschulen (Zugang zur Realschule nur mit Realschulempfehlung, Zugang zum Gymnasium grundsätzlich nur mit Gymnasialempfehlung).

Nicht in einer autoritären Vereinheitlichung des Schulsystems, wie es die SPD und die PDS wünschen, steckt der Erfolg, sondern in einer Schulstruktur, die das natürliche Streben des Kindes nach Wissen und Leistung sowie die Vielfalt der Begabungen berücksichtigt.

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